Das Instrument Drehleier findet man heute vorwiegend in Museen (nicht spielbar) und auf Mittelaltermärkten (nicht anhörbar). Allenfalls einige Spezialensembles für mittelalterliche Musik beschäftigen sich mit diesem sehr alten Instrument und nutzen es als Begleitung zu einstimmigen Gesängen. Dass die Drehleier aber im 18. Jahrhundert noch einmal Hochkonjunktur hatte, war bislang kaum bekannt.
Es war die adlige und schon recht dekadente Oberschicht Frankreichs, die im 18. Jahrhundert unter den Regenten Ludwig XV. und Ludwig XVI. die Drehleier (gemeinsam mit dem Dudelsack) als neue Modeinstrumente entdeckte. Man verband den rustikalen Klang dieser Instrumente mit den Träumen von ländlicher Idylle, von friedlichen Wiesen mit Hirten und Schafen, kurz mit einer friedlichen Idealwelt. Instrumentenbauer und Hofmusiker hatten gut zu tun, denn es galt die große Nachfrage nach neuen Drehleiern und der entsprechenden Literatur zu befriedigen. Nicolas Chédeville – königlicher Oboist – sprang auf den Zug auf und veröffentlichte gleich eine ganze Reihe von Sammlungen mit Originalwerken und Bearbeitungen für Drehleier und Begleitinstrumente. Da auch Vivaldis Violinkonzerte allmählich in Paris Gefallen fanden, brachte Chédeville 1739 einen eigenen "Jahreszeiten"-Zyklus auf Basis von Vivaldi-Konzerten heraus.
Tobie Miller hat sich seit vielen Jahren intensiv mit dem Drehleierspiel befasst und dieses Instrument sowohl im mittelalterlichen Kontext (Ensemble Per-Sonat) als auch zuletzt mit Eigenbearbeitungen von Bach-Suiten virtuos eingesetzt. An den Klang der vertrauten Vivaldi-Konzerte mit Drehleierzusatz muss man sich zunächst gewöhnen. Doch dank hervorragender Spielweise und vielen klanglichen Überraschungen zeigt sich schon bald eine ganz neue, originelle Vivaldi-Seite, abseits vom Glanz der sonst omnipräsenten geigerischer Virtuosität: Die Bordunsaiten klingen urtümlich und unterstützen harmonische Zusammenhänge, die Schnarrsaiten geben markige, derbe Geräusche ab und in manch langsamen Satz gibt es wunderbare Duette zwischen Violine und Drehleier. Sicher wird sich der herkömmliche Vivaldi-Sound nicht verdrängen lassen, aber originelle Alternativen sind die Chédeville-Arrangements mit dem Ensemble Danguy allemal.
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