Da pacem – Echo der Reformation

Für mich ist das die CD des Jahres, und nicht nur für mich: Das Album „Da pacem“ mit dem RIAS Kammerchor und Capella de la Torre wurde gerade mit dem ECHO Klassik ausgezeichnet.

Die Reformation, ausgelöst vor 500 Jahren durch Martin Luther, bildete eine tiefe Zäsur in der abendländischen Geschichte. Der bislang unangefochten dominierenden katholischen Kirche wurde mit dem Protestantismus eine „Alternative“ gegenübergestellt, die rasch zahlreiche Anhänger fand. Gleichzeitig aber wurde die Spaltung der christlichen Kirche in mehrere Konfessionen zur Ursache für Unterdrückung und Kriege mit unzähligen unschuldigen Opfern. Die Folgen der Trennung sind trotz aller Bemühungen zur Ökumene bis heute offensichtlich.

Spuren der Reformation finden sich vielfach auch in der Kunst der vergangenen Jahrhunderte, wobei die Musik in diesem Kontext einen besonderen Stellenwert einnimmt. Martin Luthers Kirchenlieder, die ab 1523 in verschiedenen Gesangbüchern veröffentlicht wurden, bilden den Grundstock für die deutsche Kirchenliedtradition, die bis in unsere Zeit unvermittelt anhält. Aber auch die katholische Seite bemühte sich um eine Erneuerung ihrer musikalischen Tradition, wenn auch mit anderem, meist lateinischsprachigem Repertoire. Es ist unbestritten, dass beide große Konfessionen erstklassige Musiker in ihren Reihen hatten.

Der RIAS Kammerchor und Capella de la Torre unter Leitung von Florian Helgath haben als Beitrag zum Jubiläumsjahr der Reformation das CD- und Konzert-Projekt „Da pacem – Echo der Reformation“ entwickelt. Mit der Auswahl der Kompositionen wird der Nachweis erbracht, dass die konfessionelle Unvereinbarkeit der Kirchenherren, Regenten und Militärs sich in der Musik kaum widerspiegelt. Während auf den Schlachtfeldern unversöhnlich gekämpft und gemordet wurde, komponierten sowohl katholische als auch protestantische Musiker beeindruckende geistliche Werke, die sich einer qualitativen Abstufung entziehen.

Daher wurde in das Zentrum des CD-Programms Einigendes zwischen den Konfessionen gerückt: das allgemeine Gotteslob und vor allem der unbändige Wunsch nach Frieden. Aufgeführt wird dabei nicht Musik aus der direkten Luther-Zeit, sondern ein Repertoire des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts, als „musikalisches Echo“ auf die Reformation. Abwechselnd sind die Werke katholischer und protestantischer Komponisten zu hören, darunter bekannte Namen wie Orlando di Lasso, Heinrich Schütz, Claudio Monteverdi und Michael Praetorius, aber auch unbekanntere wie Luca Marenzio und Jacobus de Kerle. Zum Programm gehören die musikalische Pracht der frühbarocken Vielchörigkeit mit zahlreichen vokalen und instrumentalen Stimmen, aber auch schlichte, klein besetzte Werke.

Als roter Faden fungiert der Friedensgedanke: In beiden Konfessionen wurde sehr häufig die altchristliche Antiphon „Da pacem, Domine“ vertont – entweder im lateinischen Originaltext oder in der von Luther erstellten deutschen Fassung „Verleih uns Frieden gnädiglich“.

Im November 2016 wurde das Programm erstmals in einem Konzert im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie vorgestellt, viele weitere Konzerte erfolgten im Sommer und Herbst 2017. Die CD wurde Anfang des Jahres 2017 veröffentlicht und am 29. Oktober in der Elbphilharmonie Hamburg mit dem ECHO Klassik ausgezeichnet.

Die farbigen Kompositionen aus der Zeit des Frühbarocks in dieser hervorragenden Qualität zu hören, ist ein großes Vergnügen. Es gibt vor allem drei Tracks, die mich immer wieder tief beeindrucken: Das geistliche Konzert „Dulcis Jesu“ von Giovanni Gabrieli, das zunächst als „Sonata con voce“ für zwei Tenöre und begleitende Instrumente beginnt und sich dann in einer gewaltigen Steigerung auf eine 20-stimmige Besetzung weitet, das überwältigende 19-stimmige deutsche Magnificat von Michael Praetorius und – last not least – das schlichte, zutiefst bewegende „Verleih uns Frieden“ aus der „Geistlichen Chormusik“ von Heinrich Schütz.

Nun ist das große Reformationsjubiläum vorbei, das „Echo der Reformation“ mit dem RIAS Kammerchor und der Capella de la Torre hat aber auch weit über dieses Festjahr hinaus viele Hörer sicher.