Gibt es einen Erfinder des Streichquartetts? Natürlich nicht, diese Gattung hat sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts aus den Vorarbeiten verschiedenster Komponisten in ganz Europa entwickelt. Papa Haydn war es dann vorbehalten, diese Tendenzen des vierstimmigen Zusammenspiels von Streichinstrumenten in eine Form zu bringen, die dann zur Modegattung wurde.
Erst vor wenigen Jahren haben sich vier herausragende Musiker der französischen Alte-Musik-Szene zum Kitgut Quartet zusammengeschlossen. Von Anfang an war klar, dass dieses Quartett nicht das herkömmliche Repertoire herunterspielen wird. Nun haben die vier Franzosen ihre Debüt-CD als Quartett vorgelegt und damit den Grundstein für ein vierteiliges Projekt gelegt, das nach den Ursprüngen des Streichquartetts sucht. Zusammengestellt wurden auf dieser ersten CD englische Kompositionen des späten 17. Jahrhunderts, an denen vier Streicherstimmen weitgehend gleichberechtigt beteiligt sind. Kontrastiert wird diese Barockmusik mit einem reifen Streichquartett von Joseph Haydn. Kann das gut gehen? Immerhin liegen rund 100 Jahre zwischen den Werken.
Ja, es funktioniert sogar bestens. Das Haydn-Quartett fällt nicht als Exot aus dem barocken Rahmen, sondern wirkt hervorragend eingebettet: Ein Curtain Tune von Locke oder eine Pavan von Purcell könnten auch als langsame, ausdrucksstarke Einleitungen eines klassischen Quartetts durchgehen; manch barocker Tanzsatz lässt sich nahtlos mit dem Haydn-Menuett fortsetzen. Entscheidend für diese verblüffenden Verbindungen ist aber die hochkonzentrierte und makellose Interpretation durch das Kitgut Quartet. Kontraste werden enorm geschärft, rhythmische Strukturen bestens herausgearbeitet, Tempi forciert. Hinzu kommt ein wunderbar homogener Gesamtklang auf der Basis der Darmsaiten ("Kitgut"). Die Vorfreude auf die kommenden drei Folgen, die sich der französischen, italienischen und deutschen Tradition widmen werden, ist groß.
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