Weinende Menschen am vorbeifahrenden Sarg, endlose Schlangen vor Westminster Hall, das größte Staatsbegräbnis aller Zeiten: Die überwältigende Anteilnahme am Tod Königin Elisabeths II. hat vor wenigen Wochen erneut die tiefe Verbundenheit der britischen Bevölkerung mit ihrem Königshaus gezeigt. Bei der bevorstehenden Krönung von Charles III. wird sich diese starke Identifikation mit dem Staatsoberhaupt wiederholen, freilich unter freudigeren Vorzeichen. Zum musikalischen Programm werden dann vermutlich auch Teile der „Coronation Anthems“ von Georg Friedrich Händel zählen, die vor knapp 300 Jahren zur Krönung von König George II. entstanden sind.
Der französische Dirigent Hervé Niquet hat bereits mit mehreren spektakulären Aufnahmen groß besetzter Barockmusik für Aufsehen gesorgt. Jetzt hat er die vier Krönungs-Anthems und das Dettinger Te Deum in einer mutmaßlichen Originalbesetzung eingespielt. Die damaligen Quellen sprechen nämlich von weit über 100 Mitwirkenden in Chor und Orchester. Niquet bietet ein – für Händel – riesig dimensioniertes Orchester auf, darunter allein 10 Oboen, 8 Trompeten und 6 Fagotte. Das klingt prächtig und festlich, schießt zuweilen aber in der Klangmasse doch etwas über das Ziel hinaus. Den Chor hält Niquet dagegen auf einer überschaubaren Größe von knapp 40 Sängern, was ein hervorragendes Klangbild ergibt, natürlich auch dank der hohen stimmlichen Qualität. Eine Besonderheit ist außerdem die chorische Besetzung der (wenigen) Soloarien, was zwar musikalisch gut gelingt, aber vom Gesamtausdruck fraglich ist, da auf diese Weise ein Solo-Element komplett fehlt. Wie auch immer: Die Neuaufnahme der festlichen Händel-Werke ist spektakulär, historisch begründet und allemal sehr hörenswert.
Keine bevorstehenden Termine