Bachs Suiten für Violoncello solo (BWV 1007–1012) sind unbestritten Spitzenwerke der instrumentalen Sololiteratur und keineswegs exklusiv dem Violoncello vorbehalten. Der Meister selbst hat den Anfang gemacht, indem er die 5. Suite für Laute umgearbeitet hat und damit zumindest indirekt allen nachfolgenden Generationen das instrumentale Umwidmen dieser Solo-Meisterwerke autorisiert hat. Inzwischen gibt es Fassungen der Stücke für alle nur denkbaren Instrumente vom Cembalo bis zur Marimba. Zwei Arrangements sind gerade frisch erschienen: Raaf Hekkema hat alle sechs Suiten für Saxophon bearbeitet und eingespielt, Tilman Hoppstock hat drei Suiten in eine Fassung für moderne Konzertgitarre gebracht und aufgenommen.
Der niederländische Saxophonist Raaf Hekkema präsentiert in jeder der sechs Suiten ein anderes Instrument, darunter auch vier historische Saxophone aus den 1920er Jahren. Seine Auswahl umfasst zwei Tenor-, drei Alt- und ein Sopransaxophon, die jeweils sehr unterschiedliche Klangspektren aufweisen. Auch Tilman Hoppstock wechselt die Instrumente pro Suite, mit dabei sind eine spanische Gitarre von 1929 sowie zwei jüngst erbaute Gitarren. Bemerkenswert bei ihm ist noch ein Saiten-Detail: Für die fünfte Suite (BWV 1011, original c-Moll) besaitete er seine Gitarre eine Quarte tiefer als normal (tiefste Saite: Kontra H). Diese instrumentale Abwechslung kommt beiden Aufnahmen sehr zugute, indem sie einer möglicherweise aufkommenden klanglichen Uniformität vorbeugt.
Tilman Hoppstock hat bei seinen Arrangements wesentlich stärkere Eingriffe in das Original vorgenommen, um die Stücke gitarrengemäß zu machen. Man hört viele zusätzliche Akkorde, Kontrapunkte und Verzierungen, was sich sehr positiv auf den Gesamteindruck auswirkt. Rein spieltechnisch bedingt lassen sich die Suiten auf der Gitarre auch flüssiger und geschmeidiger darbieten als auf dem Saxophon, vor allem wegen der Möglichkeit zum mehrstimmigen Spiel. Tilman Hoppstock spielt mit großer Klarheit und Ausdruckskraft; etwas getrübt wird die Aufnahme nur durch sehr häufige und starke Spielgeräusche.
Raaf Hekkema bleibt in seinen Bearbeitungen wesentlich näher am Original. Das ist in den schnellen Sätzen sehr eindrucksvoll und hörenswert, gerade wenn er auf einem hohen Instrument rasante Kaskaden und Läufe vorträgt. In den langsamen Sätzen, also in den Sarabanden, aber auch in der großen Allemande der 6. Suite, zerfällt dagegen die musikalische Struktur zu sehr in ihre Einzelteile. Wo beim Cello sonor die tiefen Töne nachschwingen, bleibt es beim Saxophon trocken und kahl. Außerdem sind die vielen für das Violoncello vorgesehenen Doppelgriffe auf dem Saxophon nur in rudimentärer Form als kurze Vorschläge darstellbar. Das ist zwar spieltechnisch unbestritten eine große Leistung, vermag aber klanglich nicht zu überzeugen.
Beide Solisten bieten hervorragende Qualität, sowohl was die aufwändigen Arrangements betrifft als auch in Bezug auf ihre interpretatorische Leistung. Entstanden sind dennoch zwei völlig verschiedene klangliche Ergebnisse: Die Version von Tilman Hoppstock ist weit gefälliger und wirkt praktisch als ein genuines Gitarrenwerk. Die Saxophonversion von Raaf Hekkema hingegen überträgt Bachs Solo-Werke auf ein dem Cello allzu weit entferntes Instrument und lässt daher klangliche Wünsche offen.
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