"Bodenschätze"

Wertvolle und ertragreiche „Bodenschätze“, gefördert von Chorwerk Ruhr und Capella de la Torre

 

Vor rund 400 Jahren erschien in Leipzig die Motettensammlung „Florilegium Portense“. Der blumige Titel verweist auf den besonderen Charakter dieses Bandes: Unter „Florilegium“ („Blütenlese“) verstand man im 17. Jahrhundert eine Sammlung mit beispielhaften Auszügen aus wissenschaftlichen Werken und übertrug diesen Begriff immer häufiger auch auf die Musik. Ganz in diesem Sinne handelt es sich beim „Florilegium Portense“ um eine aus pädagogischen und liturgischen Motiven getroffene Auswahl musikalischer Werke. Zusammengestellt wurde dieses Repertoire im Kontext der Unterrichtspraxis an der Fürstenschule in Pforta bei Naumburg, einer der bedeutendsten Bildungseinrichtungen im protestantischen Mitteldeutschland, als Herausgeber fungierte der dortige Kantor Erhard Bodenschatz.

In zwei Bänden enthielt das „Florilegium Portense“ mehr als 250 Motetten von deutschen, italienischen und frankoflämischen Komponisten des ausgehenden 16. Jahrhunderts. Diese Sammlung war besonders in Mitteldeutschland ein Bestseller: Bis weit ins 18. Jahrhundert hinein erlebte das „Florilegium“ zahlreiche Wiederauflagen und war als kirchenmusikalisches Standardwerk in unzähligen großen und kleinen Kantoreien gefragt. Noch Johann Sebastian Bach setzte die Motetten aus dem „Florilegium“ in der Liturgie ein und ließ 1729 sogar neue Exemplare der Stimmbücher für die Thomasschule ankaufen.

Das Chorwerk Ruhr, gegründet 1999 und seit 2011 unter Leitung von Florian Helgath, hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der führenden Kammerchöre Deutschlands entwickelt und pflegt dabei ein enorm großes Repertoire von der Alten Musik bis hin zu zahlreichen Uraufführungen. Für sein neuestes Album hat das Chorwerk knapp 20 Motetten aus dem „Florilegium Portense“ ausgewählt und eingespielt, wobei die Capella de la Torre unter Katharina Bäuml als musikalischer Partner zur Seite stand. – Gelungen ist eine vortreffliche Visitenkarte für die heute noch immer recht unbekannte „Florilegium“-Sammlung. Mit hoher vokaler und instrumentaler Qualität, einem großen Ausdrucksspektrum und vor allem abwechslungsreichen Arrangements (solistische und chorische Vokalstimmen, Mischung aus Sängern und Instrumentalisten, Colla-parte-Spiel im Tutti) werden die meist groß besetzten Chorsätze nicht zur Dutzendware einer riesigen Sammlung, sondern zu individuellen Kunstwerken. Möglicherweise fühlen sich durch diese neue, überzeugende Darbietung auch andere Chöre inspiriert, sich vier Jahrhunderte nach dem Erstdruck erneut diesem „Bestseller“ zu widmen.